Liebe Besucher, liebe Beate,
es fällt mir schwer der Arbeit Beate Terfloths anders als positiv aufgeregt, ja glücklich und damit relativ distanzlos zu begegnen. Nun musste, oder wollte ich darüber nachdenken woher diese Freude kommt. Und kam kurz gesagt zu dem Schluss es ist diese aufregende, von Anmut und Offenheit erfüllte Ruhe darin.
In Beate Terfloths Arbeiten geht es wie der Titel der Ausstellung schon sagt oft um Moving/ Bewegung . Was hat das mit Ruhe zu tun?
in der Choreographie von Beate Terfloths Zeichnungen und Interventionen steckt kein Fortschreiten oder ein Antrieb der zu irgendeinem Ziel führt. Zum Glück.
Schaut man sich zum Beispiel die Wand mit den Neonröhren und der daran anschließenden Zeichnung an ist es ein wenig, als gehe man aufmerksam aber absichtslos spazieren, auch wenn hier der Spaziergang vorwiegend mit den Augen stattfindet. Beim Abschreiten der Wand und des Raumes und sei es nur mit Blicken entsteht durch die stets in Veränderung begriffene Wahrnehmung leise aufeinander folgender Impulse eine Bewegung. Diese Bewegung hat aber nichts Getriebenes, auf oder von einem Zentrum drängendes, sondern in dieser Form von Lebendigkeit liegt eine große Ruhe. Nichts drängt sich expressiv in den Vordergrund, die Zeichnung fügt sich im Gegenteil mit beiläufiger Selbstverständlichkeit in den Raum ein und öffnet den Blick auch dafür.
Es gibt noch einen Widerspruch der aber hier keiner ist: Die Bewegung die Beate Terfloth während des Zeichnens ausführt, lässt sich beim Betrachten beinahe körperlich nachvollziehen. Diese an den Körper gebundenen Bewegungen sind einerseits radikal subjektiv, ja intim, treten aber nicht als die Stimme eines Einzelnen hervor. Das sehr Persönliche des Zeichenprozesses löst Distanzen auf, denn diese an den Körper gebundenen Bewegungen sind universell lesbar, vor allem weil sich das persönliche dieser Darstellung nicht expressiv aufdrängt, sondern eine leichte Beiläufigkeit behält.
Beate Terfloths Zeichnungen und Eingriffe sind nicht so abstrakt, wie sie vielleicht zunächst scheinen. Die Wandzeichnung hier zum Beispiel beruht auf einer früheren Landschaftszeichnung, aus einem der zahlreichen Skizzenbücher in der Beate Landschaftseindrücke in feinen, knappen Bleistiftzeichnungen festhält. Diese Notate bilden einen Fundus für Wandzeichnungen wie diese.
Anklänge an die frühere Zeichnung stehen also nun in einen neuen Kontext gestellt im Raum und verbinden sich mit allem anderen Wahrnehmbaren hier zu einer neuen Gegenwart die sich fortlaufend verändert, sei es durch wechselnde Lichtverhältnisse oder neu eingenommene Perspektiven. Die sich plastisch von der Wand abhebende Zeichnung der Neonröhren steht in einem lebendigen Bezug zu den grauen Bleistiftlineaturen rechts ohne den leeren Raum dazwischen zu verdrängen, im Gegenteil, er ist präsenter denn je. Selbst die Vitrinen links bekommen in diesem Zusammenhang beinahe skulpturale Qualitäten. Die zarten, wie mit Blindschrift versehenen Bleistiftzeichnungen darin sind zwar auch für sich allein schön, gehen aber hier in der seriellen Anordnung auf.
Der koreanische Philosoph Byung-Chul Han beschreibt in seinem Buch zur Philosophie des Zen Buddhismus die eigentümliche Schönheit einer solchen alles offen aufnehmenden Herangehensweise, in der nichts für sich isoliert stehenbleibt oder in sich verharrt anhand einiger Landschaftsbilder eines von ihm geschätzten Künstlers. Die Beschreibung passt aber auch sehr gut zu Beate Terfloths Arbeit.
Eine Scheu hält die Artikulation in einer eigentümlichen Schwebe. In einer Losgelöstheit schweben die Dinge zwischen Anwesenheit und Abwesenheit, zwischen Sein und Nicht -Sein. Sie sprechen nichts Endgültiges aus. Nichts drängt sich auf; nichts grenzt sich, schließt sich ab. Alle Figuren gehen ineinander über, schmiegen sich an, spiegeln einander (…) Das Eigentümliche an dieser Landschaft ist, dass die Leere die besondere Gestalt der Dinge nicht einfach zum Verschwinden bringt, sondern in ihrer anmutigen Anwesenheit leuchten lässt. Einer aufdringlichen Präsenz fehlt jede Anmut.
In den Titeln von Beate Terfloths Arbeiten tauchen häufiger die Namen von ihr geschätzter Künstler oder Literaten auf, wie zum Beispiel der berühmte Haiko – Dichter Basho oder die Verfasserin des etwa im Jahr tausend entstandenen Kopfkissenbuches der kaiserlichen Hofdame Sei Shonagon, das eines der bekanntesten Bücher der japanischen Literatur ist.
Man könnte mutmaßen, das Herbeizitieren derlei asiatischer Berühmtheiten solle den Arbeiten zu höheren, etwas abgehobenen Weihen verhelfen, aber beim genaueren Hinsehen passiert das Gegenteil. Die beiden Dichter interessieren sich ebenso wenig wie Beate Terfloth für etwas Transzendentes, also für etwas jenseits der Erfahrung des sinnlich Greifbaren, anschaulich Gegebenem. In sehr knapper Form hingeworfen, dabei aber formvollendet, widmen sich alle drei universellen, zeitlosen Phänomenen wie bei den beiden Dichtern natürlich Bergen oder Flüssen, aber auch den schön miteinander kontrastierenden Farben festlicher Gewänder, oder schnarchenden Liebhabern.
Mühelos, mit der Leichtigkeit und Gegenwärtigkeit eines Cafebesuchs begegnen sie sich also in diesem assoziativen Rahmen, tausend Jahre und unterschiedlichste kulturelle Kontexte wie ein Nichts überbrückend – vorausgesetzt natürlich der Betrachter verbindet etwas mit den Namen und es entstehen Bilder dazu in seinem Kopf , die sich mit dem Gesehenen zu einer neuen, flüchtigen Gegenwart vermischen.
Diese Ausstellung erzählt nicht zuletzt auch von der Freude am Zeichnen.
Die Hofdame Sei Shonagon schrieb im Kopfkissenbuch:
“Wenn mir das Dasein so zuwider ist, dass ich vor Abscheu keinen Moment länger leben, sondern einfach spurlos verschwinden möchte, brauche ich bloß gewöhnliches, schön gebleichtes und sauberes Schreibpapier und einen ordentlichen Pinsel in die Hand zu bekommen, meinetwegen auch weiß gefärbtes oder Michinoku Papier, um vollkommen getröstet zu sein. Dann sage ich mir, nun gut, dann werde ich das Leben noch eine Weile ertragen können. Und wenn ich mir dann noch ein blaues, sauber gearbeitetes, dickes Sitzkissen hinlege, dessen schwarzes oder weißes Stickmuster auf dem Rand deutlich mit dem Blau kontrastiert, schöpfe ich neue Zuversicht, dass auch künftig das Leben durchaus lebenswert und ein Verzicht darauf bedauerlich wäre.”
Wir, damit meine ich unser Galerieteam, also Thomas Matauschek, Henry Puchert und mich sind sehr froh und dankbar, dass Beate Terfloth eine Arbeit speziell für diesen Raum geschaffen hat. Er hat jetzt tatsächlich eine andere Präsenz. Bewegung und Ruhe bilden hier keinen Widerspruch und das Einzelne kann sich im Ganzen verlieren ohne darin zu verschwinden.
Es lohnt sich also noch einmal herzukommen um bei Tageslicht darin einzutauchen.
Jetzt wünsche ich Ihnen einen schönen Abend.